STEAM GROUP
for UNCUT! @forUNCUT
STEAM GROUP
for UNCUT! @forUNCUT
1,340
IN-GAME
11,033
ONLINE
Founded
September 17, 2009
Language
German
Location
Germany 
Rigolax Jul 18, 2017 @ 4:15pm
Bild.de-Artikel über CoD: WWII: „Hakenkreuz-Streit um ‚Call of Duty‘“
Am 18.07., also gestern, ist auf bild.de ein Artikel mit jenem Titel veröffentlicht worden. Der Untertitel lautet „Verboten oder nicht?“ und lässt auf eine differenzierte Auseinandersetzung hoffen. Leider ist der Artikel hinter einer Paywall versteckt. Dies ist insgesamt wirklich schade, da er unserer Meinung nach die Lage im Sinne des Mediums fair darstellt und besonders bei der vielgelesenen, „meinungsbildenden“ Bild einen Beitrag zur Aufklärung leisten könnte. Man erinnere sich an einen Bild-Artikel aus dem Jahr 2014, der die internationale Version von Turning Point: Fall of Liberty als „Nazi-Spiel“[www.bild.de] verunglimpfte. Nichtsdestoweniger lassen sich auch in diesem aufklärenden Artikel einige inhaltliche Fehler finden.

Zum Artikel: http://www.bild.de/bild-plus/spiele/spiele-news/call-of-duty/hakenkreuz-streit-um-call-of-duty-ww2-52267156.html

Zunächst sei der Vollständigkeit halber erwähnt, dass die Reaktion der Entwickler Sledgehammer Games auf die -- tatsächlich durchaus lauten -- Kritikerstimmen bezogen auf das vermeintliche Fehlen der Nazi-Symbole (in allen Versionen) vielleicht weniger schnell erfolgte, als im Artikel suggeriert. So kursierte schon davor länger die indirekte Klärung durch den Support des österreichischen Online-Händlers gamesonly.at, der eine zensierte, deutsche Version ankündigte („aus verfassungsfeindlichen Gründen“). Für viele war das natürlich (zurecht) keine finale Bestätigung. Dennoch haben Sledgehammer Games sicherlich relativ zeitig reagiert.

Im Folgenden versucht der Artikel zu erklären, warum Hakenkreuze in Spielen verboten seien. Die Relativierung, dass diese Symbole in Spielen nicht wirklich verboten sind, folgt. Prinzipiell ist die Aussage auch nicht wirklich falsch, denn in der Praxis sind diese Symbole ja in Computerspielen tabuisiert, wenn auch nicht rechtlich per se verboten. Eine USK-Freigabe wird man jedenfalls nicht ohne Weiteres mit einer symbolhaltigen Version enthalten können (was leider im Artikel nicht erwähnt wird).

Als Experte wurde der Medienrechtsanwalt Marian Härtel interviewt. Auf seinem Blog[www.rahaertel.com] gibt er an, dass der Artikel selber recht interessant sei, er aber bezweifle, dass dieser eine Diskussion in Bezug auf § 86a StGB und Computerspiele auslösen würde.

RA Härtel stellt im Bild-Artikel klar, dass auch Spiele als „anerkannter Teil der Kunst und Kultur“ unter die Sozialadäquanzklausel fallen würden. Hakenkreuze seien demnach in Computerspielen zulässig, wenn sie Teil der Kunst sind, dies gelte vor allem im historischen Kontext. Selbst für Shooter gelte dies. Der Kunstbegriff sei zu weit gefasst, als dass Computerspiele nicht unter ihn fallen würden: Sie seien auch Kunst, genau wie Filme. Das (berüchtigte) Urteil des OLG Frankfurt von 1998 über Wolfenstein 3D bzw. eines Verbreiters (welches der Artikel nur „Gerichtsurteil von 1998“ nennt) wird von RA Härtel als „falsch“ und aus heutiger Sicht nicht mehr haltbar bezeichnet, da es sich nicht mit dem Kunstbegriff auseinandergesetzt habe. Des Weiteren ist RA Härtel davon überzeugt, dass es möglich sei, in einem Verfahren zu bestehen. Leider gebe es allerdings keine Möglichkeit „einer Art Feststellungsklage“ um den Sachverhalt verbindlich zu klären.

Wirklich überraschend sind die Äußerungen von RA Härtel nicht. Bereits andere Rechtsanwälte wie Schwiddessen[www.jurion.de] oder Liesching[www.bundespruefstelle.de] haben die Kunstqualität von Computerspielen betont. Gegenstimmen findet man hingegen nicht. Laut Schwiddessen gebe es zudem die erfolgsversprechende Möglichkeit einer „Verpflichtungsklage auf Kennzeichnungserteilung“, also das Einklagen der USK-Kennzeichnung vor dem zuständigen Verwaltungsgericht, um die Situation zu klären. Inwiefern sich dies von einer Art Feststellungsklage unterscheidet, können wir nicht beurteilen.

Leider befinden sich im Artikel unserer Ansicht nach doch zwei grobe Falschinformationen. Diese waren nicht Teil des Interviews mit RA Härtel und wurden vermutlich schlicht vom Autor falsch dargestellt. So wird behauptet, dass die Entwickler entsprechende Symbole aus den deutschen Versionen entfernen würden, um einer Indizierung zu entgehen. Dass „Indizierung“ hier umgangssprachlich das Beschlagnahmen/Einziehen der entsprechenden Version mittels Gerichtsbeschluss meint, ist im Kontext auszuschließen. Insbesondere Wolfenstein 3D sei im Jahr 1994 neben der Gewalt auch wegen verfassungsfeindlichen Symbolen indiziert worden.

Laut Interview[vdvc.de] zwischen Martina Hannak-Meinke, Vorsitzende der BPjM, und dem VDVC ist dies beides unzutreffend. Es ist uns auch kein Fall aus der Indizierungspraxis der BPjM bekannt, der auf Hakenkreuzen gestützt war. Zwar werden die Symbole in den Entscheidungen aufgeführt (so auch wohl bei Wolfenstein 3D), aber es bleibt offen, ob dies entscheidungsrelevant ist. § 86a StGB ist nicht Teil des JuSchG. Höchstens § 86 StGB (Propagandamittel) könnte in diesem Kontext interessant sein, doch fallen derartige, kommerzielle Produktionen wohl eher nicht unter diesen Tatbestand. Wird argumentiert, dass ohne USK-Freigabe immer eine Indizierung wegen Gewalt drohen könnte, dann kann entgegen gehalten werden, dass dies nicht möglich wäre, wenn die symbolfreie aber gewaltgleiche Version freigegeben wurde bzw. werden könnte. Entsprechend wurden auch die neuen, internationalen Versionen der Wolfenstein-Teile nicht indiziert bzw. können es auch gar nicht werden (nicht einmal falls ein Richter sie nach § 86a StGB enkassieren würde). Möglich wäre natürlich dennoch z.B. zu behaupten, dass die Inhalte der internationalen Versionen der neuen Wolfenstein-Ableger den Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 StGB) erfüllen würden; dies scheint allerdings extrem abwegig.
Last edited by Rigolax; Jul 19, 2017 @ 8:07am
< >
Showing 1-4 of 4 comments
dimizuno Jul 18, 2017 @ 4:42pm 
Danke, da ich gar nichts rund um BILD mitbekomme(n will), ist das eine schöne Zusammenfassung eines für mich sehr überraschenden Artikels in dieser "Zeitung". Über die erwähnten Fehler kann ich hinwegsehen, wenn man einmal die Hauptaussage des Artikels in Hinblick auf die potentielle Öffentichkeitswirkung betrachtet. Ein solcher Artikel reiht sich damit ein in die immer häufigere "erwachsene" Betrachtungsweise von Videospielen in den Medien und der Politik in den letzten Jahren. Ich freue mich darüber und sehne den Tag herbei, wenn Filme und Spiele auf derselben Stufe stehen.
Last edited by dimizuno; Jul 18, 2017 @ 4:42pm
MeTo83 Jul 18, 2017 @ 10:42pm 
Schön zusammengefasst
Rigolax Jul 18, 2017 @ 11:05pm 
Ja, also der Artikel lässt im Grunde keinen Zweifel daran, dass die momentane Situation falsch ist. Dafür sind die Aussagen vom Interviewtem RA viel zu deutlich. Das ist erst mal schon sehr gut und vor allem von der Bild erstaunlich. Die Fehler bezogen auf die Indizierung sind da im Grunde egal, vermutlich versuchte man verzweifelt zu erklären, wo denn in der Praxis nun das Problem sei und ist dann auf dem Weg etwas verunglückt. Der Klassiker wäre ja gewesen, "Spiele sind rechtlich nicht Kunst"', was aber natürlich absurd wäre nach den Aussagen des RAs.

Es sei noch erwähnt, dass der Artikel noch ein paar andere Sachen erwähnt, die aber nicht neu sind und auch nicht interessant bezogen auf einen ggf. zunehmend stattfindenden Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung des Themas.

@meto Danke.

Edit: habe noch was im Detail ergänzt, bezogen auf den Indizierungskram, um klarer zu machen, warum das in dem Kontext Quatsch ist.
Last edited by Rigolax; Jul 18, 2017 @ 11:31pm
Danke für die Verlinkung, aber da man zahlen muss leider nicht selber gelesn, musste eben das script erlauben und bemerkt nur ne Geldaufforderung und somit direkt wieder auf der Blacklist gelandet.
Danke für die Zusammenfassung, sowas hätte ich nicht von diesem Schmierblatt erwartet.
< >
Showing 1-4 of 4 comments
Per page: 1530 50

Date Posted: Jul 18, 2017 @ 4:15pm
Posts: 4